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Sozialversicherungspflicht und selbständige Berater

Nicht selten wird in der Nachfolgeberatung die Überlegung angestellt, ob der Senior nach Abgabe des Unternehmens nicht als Berater weiter aktiv sein kann. Dies ist oft eine gute Idee, die nicht zuletzt vor folgendem Hintergrund zu bewerten ist:

1. Rentenversicherung

Gemäß § 2 SGB VI sind auch die dort aufgeführten selbständig Tätigen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig.

Gemäß §2 Nr. 9 SGB VI gehören hierzu selbständige Personen, die

a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und

b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.

In § 6 SGB VI ist geregelt, wer sich als rentenversicherungspflichtiger Selbständiger von dieser Versicherungspflicht befreien lassen kann.

Gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 SGB VI ist bestimmt, dass Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 (ohne versicherungspflichtige Arbeitnehmer und im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig) versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht befreit werden für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllt.

Sinn der Regelung ist, dass der Existenzgründer die im Betrieb erwirtschafteten Mittel für die Dauer der ersten drei Jahre für den Betrieb selbst einsetzen kann. Als Grundregel gilt, dass diese Befreiung auf die jeweilige selbständige Tätigkeit beschränkt ist nach § 5 Satz 1 SGB VI. Daher muss nach § 6 Abs. 1a Satz 2 SGB VI für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit ohne Angestellte und im Wesentlichen für einen Auftraggeber eine zusätzliche Befreiung nach § 6 Abs. 1 a Nr. 1 beantragt werden.

Eine Aufnahme einer neuen zweiten selbständigen Tätigkeit liegt jedoch nicht vor, wenn die schon bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt wird oder deren Geschäftszweck nicht wesentlich verändert worden ist, § 6 Abs. 1a Satz 4 SGB VI.

Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (ohne Angestellte und im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig) versicherungspflichtig sind, werden nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 von der Versicherungspflicht befreit nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn diese Personen nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit ohne Rentenversicherungspflicht erstmals nach Vollendung des 58. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, da sie keine Angestellten haben und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Dieser Personenkreis ist für die ausgeübte selbständige Tätigkeit und jede weitere sonstige Selbständigkeit dauerhaft von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Diese Selbständigen sollen das Recht haben, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, um ihre bisherige Form der Altersvorsorge außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung ausbauen zu können.

Wer als Selbständiger bis zum vollendeten 58. Lebensjahr rentenversicherungsfrei war, der soll es auch bleiben. Eine Änderung des Geschäftszwecks oder eine zweite neue zusätzliche Selbständigkeit sind unschädlich. Die oben angeführten Regelungen für Existenzgründer oder Beginner einer zweiten neuen Selbständigkeit mit neuem Geschäftszweck vor dem 58. Lebensjahr greifen hier nicht mehr. Maßgeblich ist jedoch, dass vor dem 58. Lebensjahr keine Rentenversicherungspflicht bestand und nicht lediglich eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auf Antrag vorlag.

Gemäß § 6 Abs. 2 SGB VI erfolgt die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auf Antrag des Versicherten.

Gemäß § 6 Abs. 4 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.

Losgelöst von der vorstehenden Besonderheit ist freilich das Alter des Betreffenden zu beachten. Denn gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI sind Personen grundsätzlich versicherungsfrei, die eine gesetzliche Vollrente wegen Alters beziehen oder nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht gesetzlich versichert waren oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Beitragserstattung aus ihrer gesetzlichen Rentenversicherung erhalten haben.

Bei gesetzlicher Vollrente vor der Regelaltersgrenze ist die Verdienstgrenze nach § 34 SGB VI zu beachten! Ab dem 67. Lebensjahr ergeben sich somit keine Einschränkungen beim Hinzuverdienst.

2. Krankenversicherung

In § 5 SGB V ist bestimmt, wer kraft Gesetzes versicherungspflichtig ist.

Nach § 5 Abs. 5 SGB V ist hiernach nicht nach Abs. 1 Nr. 1 oder 5-12 versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist.

Das heißt, grundsätzlich sind selbständig Tätige nicht in der Krankenversicherung versicherungspflichtig bis auf gewisse Ausnahmen, z. B. Landwirte oder Künstler und Publizisten.

Wenn aber nur eine Scheinselbständigkeit vorliegt, greift die Befreiung nicht.

Des Weiteren ist nicht versicherungspflichtig, wer die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitet, § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 SGB V.

In § 8 SGB V ist geregelt, wer sich – eine Versicherungspflicht unterstellt – auf Antrag von dieser befreien lassen kann.

Eine Rückkehr in  die GKV ist nach dem 55. Lebensjahr nur noch schwer möglich. Aber auch hier gibt es Beratungsansätze.

Nach § 8 Abs. 2 SGB V ist ein solcher Befreiungsantrag innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Die Befreiung wirkt vom Beginn der Versicherungspflicht an, wenn seit diesem Zeitpunkt noch keine Leistungen in Anspruch genommen wurden, sonst vom Beginn des Kalendermonats an, der auf die Antragstellung folgt.

3. Pflegeversicherung

Grundsätzlich sind gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung auch in der Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht für Selbständige wirkt entsprechend auch für die Pflegeversicherung.

Allerdings sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen oder im Rahmen von Versicherungsverträgen, die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes genügen, versichert sind, vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, bei diesen Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrecht zu erhalten.

4. Arbeitslosenversicherung

Gemäß § 24 Abs. 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind.

Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind.

Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt gemäß § 24 Abs. 2 SGB III für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis.

Allerdings unterliegen Arbeitnehmer, die das für den Anspruch auf Regelaltersrente maßgebende Lebensalter vollendet haben, nicht mehr der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.

Der Selbständige (und nicht nur scheinselbständig) ist daher nicht in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig.

5. Echte Selbständigkeit

Die derzeitige große Koalition in Berlin unter Führung der Kanzlerin hatte in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass die Nutzung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung eingeschränkt werden solle. Die ursprünglich geplanten Maßnahmen mit einer neuen Definition der Arbeitnehmerstellung bzw. der Stellung eines Selbstständigen im BGB hätten Auswirkungen auf fast jede Selbständigkeit gehabt. Der als „großer Wurf“ angekündigte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit wurde dann auch im Sommer 2016 zurückgezogen. Die entschärfte Version sollte zum Jahresbeginn 2017 in Kraft treten, es ist jedoch bislang nichts erfolgt. Es soll wohl noch im April 2017 eine Reform kommen.

Das heißt, dass weiterhin eine Einzelfallprüfung von Behörden durchgeführt wird, ob es sich tatsächlich um eine Selbständigkeit handelt oder ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt. Gerade bei Beratern wird in die Bewertung mit einbezogen, ob eine beratertypische Qualifikation vorliegt. Hierbei wird oft ein Vergleich mit einem typischen Freiberufler, also einer akademisch geschulten Person, vorgenommen. Darüber hinaus werden auch andere Kriterien, wie eine Eingliederung in die Unternehmensstruktur des Auftraggebers etc., überprüft.

Um Selbständigen in jedem Fall Sicherheit zu geben, hat der Gesetzgeber in § 7 a des SGB IV ein Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eingerichtet. Die deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine echte Selbständigkeit vorliegt (sog. Statusfeststellungsverfahren). Die in dem Verfahren zu machenden Angaben sind bindend und bestimmen letztlich die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund. Da zum Beispiel umgangssprachliche Bezeichnungen aus dem täglichen Arbeitsleben das Ergebnis gefährden können, ist eine Beratung im Vorfeld zu empfehlen.

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