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Praxis- und Kassensitzkauf: Neue Rechtsprechung des BSG

Der Kassensitz ist für Ärzte ein wichtiges Wirtschaftsgut, da über die Zulassung zur kassenärztlichen Abrechnung eine Finanzierung der Praxis durch nicht unerhebliche Budgets der Krankenkassen ermöglicht wird. Sie dienen häufig zur Grundversorgung der Kosten einer Arztpraxis und stellen daher einen erheblichen Wert da.

Zulassungsbeschränkungen

In zulassungsbeschränkten Gebieten allerdings ist die Übernahme eines solchen Kassensitzes und der damit verbundenen kassenärztlichen Zulassung nicht ohne weiteres darstellbar, da einerseits der Zulassungsausschuss gem. § 103 Abs. 3a SGB V entscheiden kann, dass in einem überversorgten Gebiet die Zulassung gänzlich eingezogen wird (freilich gegen Abfindung, wobei noch nicht geklärt zu sein scheint, welcher Wert hier maßgeblich sein soll), andererseits aber die Zulassung im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens vergeben werden muss. Dies schränkt die Fungibilität einer Praxisübertragung erheblich ein, weil der Erwerber nicht sicher sein kann, dass er die Zulassung für den übernommenen und vermutlich eingepreisten Kassensitz erhält.

Verzicht auf Zulassung zugunsten einer Angestelltenzulassung

Entsprechend ist es wichtig, sich im Vorfeld einer solchen Praxisveräußerung oder eines Praxiserwerbs mit den möglichen Wegen einer gelungenen Praxisübernahme zu beschäftigen. Ein gängiges Modell besteht darin, dass der abgabewillige Arzt auf seine Zulassung verzichtet, dies aber nur im Gegenzug dazu, fortan die Vertragsarztzulassung bei dem Erwerber als Angestelltenzulassung in einem Angestelltenverhältnis weiter zu betreuen, sei es in Anstellung bei einem die Praxis übernehmenden MVZ oder in der Praxis eines die Praxis übernehmenden Arztes/einer Arztgemeinschaft, § 103 Abs. 4 a SGB V.

3-jährige Anstellungspflicht

Bislang war nicht geklärt, welche Qualität die Anstellung des abgebenden Arztes haben muss, und insbesondere, welche Vertragslaufzeit im Rahmen der Anstellung zu berücksichtigen ist. Häufig wurden in Abstimmung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen kurze Laufzeiten von einigen Monaten für ausreichend erachtet. Dem hat das BSG nunmehr einen eindeutigen Riegel vorgeschoben:

Das BSG hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Vertragsarzt das Modell des Verzichts gegen Anstellung beim erwerbenden MVZ gewählt hatte, allerdings bereits nach 1,5 Jahren seine Tätigkeit beendete. Das BSG stellte hier fest, dass diese kurze Frist nicht ausreiche, um in überversorgten Gebieten einen Bestandsschutz für die volle Kassenarztzulassung zu erhalten. Es machte klar, dass bei richtiger Auslegung der Ausnahmevorschrift ein strenger Maßstab an die Beschäftigung des abgebenden Arztes zu stellen sei, sodass eine Mindestbeschäftigungsdauer von 3 Jahren zu fordern sei. Lediglich in Fällen des unverschuldeten Ausscheidens (z.B. wegen Krankheit oder Tod, was als Gestaltungsansatz wenig taugt) könne dem Erwerber kein Nachteil aus der verkürzten Beschäftigungszeit entstehen. Das Privileg der Zulassungsfortführung erfordere insoweit eine ernsthafte, mit 3 Jahren Anstellung begleitete Weiterbeschäftigung des verzichtenden Arztes.

Ob die Kassenärztlichen Vereinigungen sich dieser Rechtsprechung unterwerfen, mag dahin gestellt sein. Das Risiko, spätestens durch einen Konkurrenten in diese Rechtsprechungswirkung gezwungen zu werden, ist erheblich. Die Gestaltungspraxis hat sich auf die neue Rechtsprechung des BSG einzustellen. Fortan ist im Falle der Übernahme eines vollen Kassenarztsitzes gegen Anstellung des abgebenden Arztes eine 3-jährige Mindestanstellungszeit zwingend zu beachten, will man nicht die Vollzulassung (anteilig) verlieren.

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