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Die Erbschaftsteuerreform kommt!

Bund und Länder haben sich nun doch noch vor der „drohenden“ weiteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf einen Kompromiss zur Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Am 21.09.2016 legten die Vertreter der Parteien im Vermittlungsausschuss die neuen Regelungen fest, die insbesondere die steuerlichen Begünstigungen von Firmenerben konkretisieren. Im Einzelnen lassen sich die wesentlichen Eckpunkte der Reform nun wie folgt festhalten:

–        Die Neuregelung der Schenkung- und Erbschaftsteuer sieht einen neuen Verwaltungsvermögenstest vor. Verwaltungsvermögen, das so genannte „schädliche Vermögen“, dessen Begünstigung im Rahmen eines unentgeltlichen Unternehmenserwerbs das Bundesverfassungsgericht beanstandet hatte, soll nun (bis auf eine „Schmutzgrenze“ von 10 % des Werts des begünstigten Vermögens) grundsätzlich nicht mehr begünstigt, sondern voll steuerpflichtig sein. Man wird zukünftig also die Wirtschaftsgüter eines Unternehmens in „gutes“ und „schlechtes“ Vermögen aufteilen müssen. Das „gute“ Vermögen ist prinzipiell weiterhin begünstigt (zur Ausnahme bei Großvermögen siehe sogleich), fließt also nur mit einem „Verschonungsabschlag“ von 85 % in die steuerliche Beurteilung ein (im Fall der Nulloption sogar mit einem Verschonungsabschlag von 100 % – diese Option ist allerdings nur dann möglich, wenn das schädliche Verwaltungsvermögen im Unternehmen nicht mehr als 20 % des Unternehmenswertes beträgt). Das „schlechte“ Vermögen über der 10 %-Grenze (siehe oben) unterliegt in jedem Fall der vollen Besteuerung.

–        Eine Ausnahme der Verwaltungsvermögensbesteuerung ist für die so genannten Finanzmittel (Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen, Forderungen aus Lieferung und Leistung) vorgesehen. Finanzmittel gehören danach nur insoweit zum schädlichen Verwaltungsvermögen, als ihr Wert nach Abzug aller Schulden des Unternehmens 15 % des gemeinen Werts des gesamten Unternehmens übersteigt. Hier gilt also eine Art „Freibetrag“ in Höhe von 15 % des Unternehmenswerts.

–        Der Kompromiss zur Reform der Erbschaftsteuer sieht weiter eine Investitionsklausel für Verwaltungsvermögen vor. Wenn schädliches Verwaltungsvermögen innerhalb von zwei Jahren nach einem Erbfall (nicht: nach einer Schenkung) in „gutes“ unternehmerisches Vermögen investiert wird, soll die Qualifizierung als Verwaltungsvermögen rückwirkend wegfallen.

Haken an der Sache: Die Investition soll „auf einem vorgefassten Plan des Erblassers beruhen“ müssen, eine Anforderung, die in der Regel allenfalls zufällig erfüllt werden wird. Denn üblicherweise stirbt man nicht mit einem vorgefassten Plan zur Investition!

–        Beim Erwerb von Todes wegen oder per Schenkung von Betriebsvermögen größer als 26 Mio. EUR je Erwerb (auch über einen 10-Jahres-Zeitraum betrachtet) greift eine sogenannte Bedürfnisprüfung. Der Begünstigte muss nachweisen, dass ihn die Zahlung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer über Gebühr belasten würde. Hierbei berücksichtigt wird vor allen Dingen das bereits vorhandene Privatvermögen des Begünstigten, welches dieser gegebenenfalls bis zur Hälfte für die Begleichung der Steuer aufwenden muss.

–        Lehnt der Begünstigte dieses Großvermögens die Bedürfnisprüfung ab, kann er bis zu einem Erwerb in einer Größenordnung von rund 90 Mio. EUR auch auf das sogenannte „Abschmelzmodell“ zurückgreifen. Hiernach wird der grundsätzlich bei einem Vermögenserwerb von unter 26 Mio. EUR greifende „Verschonungsabschlag“ von 85 % bzw. (im Fall der Nulloption) 100 % um jeweils einen Prozentpunkt für jede 750.000,00 EUR Mehrerwerb (über 26 Mio. EUR) herabgesetzt. Die Privilegierung „schmilzt also ab“.

–        Erwerbe unterhalb der 26 Mio. EUR-Grenze sind weiterhin bei Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen, wie oben bereits angerissen, begünstigt. Die Begünstigung greift in Form eines regelmäßig gewährten 85 %-igen Verschonungsabschlags auf das erworbene Vermögen, im Falle der Ausübung einer sogenannten „Nulloption“ sogar in Höhe eines Verschonungsabschlags über 100 %.

–        Statt mit dem aktuell 18fachen Faktor sollen Unternehmen künftig mit einem Kapitalisierungsfaktor von 13,75 auf den nachhaltig erzielbaren Gewinn bewertet werden. Eine erfreuliche, zugleich aber auch sachgerechte Anpassung der steuerlichen Unternehmensbewertung an die reale Welt. Die gute Nachricht hat aber auch einen Haken: Denn die Herabsetzung des Kapitalisierungsfaktors und damit die „Abwertung“ von Unternehmen soll rückwirkend zum 01.01.2016 erfolgen, was nicht immer positiv sein muss: Denn relativ hierzu kann natürlich die bisherige Verwaltungsvermögensgrenze von 50 %, die im Falle eines hohen Unternehmenswertes noch eingehalten worden ist, schnell gerissen werden!

–        Der Kompromiss regelt auch eine besondere Verschonung bei so genannten qualifizierten Familienunternehmen. Sieht der Gesellschaftsvertrag bestimmte Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen vor, die mindestens zwei Jahre vor dem Übertragungsstichtag und 20 Jahre nach dem Übertragungsstichtag (!) fortbestehen müssen, kann – je nach Umständen des Falles – ein neuer Vorab-Abschlag auf den Wert des Unternehmens von maximal 30 % gewährt werden. Ob und inwieweit eine solche Regelung mit einer 20jährigen Laufzeit praktikabel ist, darf bezweifelt werden.

–        Schließlich sieht das neue Gesetz Stundungsmöglichkeiten der Schenkung- und Erbschaftsteuer vor. Die Stundungsmöglichkeit ist auf 7 Jahre festgelegt. Im ersten Jahr wird die Steuer zinslos gestundet. Für die folgenden Jahre fallen Zinsen in Höhe von 6 % pro Jahr an und es wird eine jährliche Tilgung in Höhe von je 1/6 erwartet.

–        Das neue Erbschaftsteuergesetz soll rückwirkend mit Wirkung zum 01.07.2016 in Kraft treten.

Im Ergebnis kann man nach den zähen Bemühungen, die Erbschaftsteuerreform durchzusetzen, durchaus festhalten, dass der „normale“ Mittelstand, also kleine und mittelständische Unternehmen, vielfach nur marginale negative Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform spüren werden. Allenfalls Unternehmen mit einer nennenswerten Verwaltungsvermögensquote (auch in Form von Finanzmitteln) dürften Nachteile im Verhältnis zur aktuellen Regelung erleiden. Härter betroffen sind Großerben, die mehr als 26 Mio. EUR Betriebsvermögen erhalten, auch wenn dies im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geschieht. Hier wird man langfristig über gestalterische Maßnahmen eine Abmilderung der Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform herbeiführen können, was aber eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema voraussetzt. Im Übrigen wird man sehen, wie die Reformergebnisse in der Praxis umgesetzt werden. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundesverfassungsgericht erneut „das letzte Wort“ hat.

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